Leidenschaft für Landwirtschaft
Verfasst: 05.08.2025, 12:14
Interview Part 1 mit Axel Duensing, dem blinden Landwirt.
Magst du dich einmal vorstellen?
Ich bin Axel Duensing. Ich bin 33 Jahre alt und habe ökologische Agrarwissenschaften studiert. Also auf Deutsch: ich bin studierter Bauer.
2022 sind wir hier auf meinen elterlichen Hof zurückgezogen. Also wir: meine Frau und ich.
Wir leben hier zu sechst auf dem Hof: meine Frau und ich, meine Schwester mit ihrem Mann, ihr kleiner Sohn und mein Vater.
Vollzeit auf dem Hof sind mein Vater und ich. Mein Vater ist Rentner. Er läuft herum, unterstützt mich auch und macht seine eigenen Sachen. So gesehen bin ich hier der Vollzeit-Hobby-Landwirt, Hausmann, das Mädchen für alles.
Wie viel siehst du noch?
Ich habe RP, also Retinitis Pigmentosa und sehe jetzt noch irgendwie Null-Komma-Irgendwas Prozent. Seit 2002 bin ich also gesetzlich blind. Ich sehe noch Licht-Schatten-Kontraste, also wenn jetzt eine Tür offensteht und die Sonne scheint, dann sehe ich das.
Als Kind bin ich noch mit dem Fahrrad durch den Ort gerast und habe allen, die nicht früh genug aus dem Weg gingen, Dellen ins Auto gefahren. Ich bin auch noch auf dem Hof Trecker gefahren. Das habe ich aber nur hier auf der Hofstelle gemacht, wo ich wusste, dass die Leute aus dem Weg gehen würden, wenn ich ankomme. Das geht aber schon länger nicht mehr.
Ich kann mich noch gut an Farben und vieles anderes erinnern. Das ist gut und schlecht. Da ich es noch anders kenne, kann ich es vermissen und das ist schlimm, wobei ich nicht der Mensch bin, der Dingen hinterhertrauert. Es ist ja auch schön, dass es mal gewesen ist.
Wir hatten früher eine riesige Kastanie. Sie wurde vor 8 Jahren abgesägt und wenn ich jetzt aus dem Fenster gucke, dann sehe ich den Baum lustigerweise da immer noch stehen.
Gut ist, dass ich eine Vorstellung von geometrischen Formen, Distanzen etc. habe. Das hilft mir im Arbeitsalltag enorm, gerade wenn es eben um das Abschätzen von Flächen geht: Wie groß ist die Grünfläche? Wann ist die von den Tieren leer gefressen? Es hilft auch um Leute mit konkreten Arbeiten anzuweisen.
Wolltest du schon immer Landwirt werden?
Mein Opa väterlicherseits, der früher den Hof hatte, war auch schon blind. Er hatte dieselbe Augenerkrankung. Deswegen ist das gar nicht so etwas Skurriles, also für uns in der Familie.
Mein Vater hat zwar immer gesagt: "Junge, lass die Finger davon. A, verdienst du mit der Landwirtschaft kein Geld, das ist ein schweres Geschäft. Und B, du kannst nicht gucken. Lern was Ordentliches!"
Ich habe dann, als ich meinen Realschulabschluss hatte, überlegt: "Was machst du". Ich hatte keine Ahnung.
Dann habe ich die Berufsfachschule Wirtschaft gemacht, um einfach ein bisschen mehr Zeit zur Orientierung zu haben. Das hat aber auch nichts gebracht. Wobei... Ich habe in der Zeit meine jetzige Frau kennengelernt. Sie meinte damals in ihrem jugendlichen Leichtsinn: "Wieso, wenn es dich doch so interessiert, dann studiere den Kram doch. Wenn du es nicht praktisch machen kannst, dann studiere doch Agrarwissenschaften."
Dafür brauchte ich aber dann ein Abitur und so sind wir gemeinsam nach Marburg gegangen. Sie hat dort Lehramt studiert und ich habe da 2015 mein Abi nachgeholt.
Im Anschluss habe ich mich an drei Unis beworben. Angeschaut habe ich mir Gießen, Göttingen und Kassel. Letztendlich habe ich mich für Kassel entschieden, da Kassel die einzige Universität ist, die den reinen Studiengang "Ökologische Agrarwissenschaften" angeboten hat.
Kassel ist richtig gut für Blinde und Sehbehinderte eingerichtet und sie hatten ein gutes Hilfe-Angebot. Jedoch ist in Kassel selber der Fachbereich der Agrarwissenschaftler in Witzenhausen, also 20/30 Kilometer von Kassel entfernt. Die haben ihren Kram eigentlich immer selbst geklärt und so war das dann auch mit mir.
Der Fachbereich war immer sehr wohlwollend. Die Professoren haben sich Mühe gegeben und mir die Skripte für die Vorlesung zur Verfügung gestellt. Ich konnte immer nachfragen, wenn ich irgendwo Probleme hatte und das hat geklappt.
Wie war es für dich denn in der Stadt - also so als Dorfkind?
Ich bin ja mit 10 Jahren von Zuhause weggekommen. Ich bin nur in der Grundschulzeit integrativ beschult worden und dann bin ich mit nach Hamburg gekommen. Dort war ich auf der Blindenschule am Burgweg. Da habe ich nur meinen Hauptschulabschluss gemacht und dann wollten sie mich nicht mehr.
Danach bin ich nach Hannover gegangen - zum Landesbildungszentrum für Blinde. Dort habe ich meinen Realschulabschluss gemacht und die Berufsfachschule Wirtschaft besucht. Danach kam wie gesagt mein Abitur in Marburg und das Studium in Kassel.
Ein Stadtmensch bin ich aber nie gewesen. Als ich als Dorfkind dann von Zuhause weg musste, war alles fremd und die ersten Erfahrungen im Internat waren auch nicht so toll.
Eigentlich war die Idee, dass ich, wenn ich den Abschluss habe, theoretisch irgendwo im Büro arbeite und vom Büro aus, Landwirte ärgere, so auf dem Amt oder so.
Jetzt ist ja aber alles anders gekommen. Wie sieht ein typischer Tag bei dir aus?
Also, ich bringe morgens meinen Neffen zur Schule und. Wenn er dann unterwegs ist und ich schnell eine Tasse Kaffee getrunken und gefrühstückt habe, dann geht's raus. Dann versorge ich die Tiere, die Diversen, die wir haben. Im Winter werden sie im Stall gefüttert. Dann kümmere ich mich um die Boxen – entweder nachstreuen oder fräsen. Die Pferde und Rinder stehen auf Kompost, der regelmäßig mit der Fräse aufgelockert wird, um Sauerstoff einzubringen. Das verhindert Fäulnis, fördert die Kompostierung und sorgt für einen angenehmen, waldartigen Geruch. Danach erledige ich, was sonst so ansteht – Feuerholz machen, Rasen mähen, Motorsensen. Abends werden die Tiere je nach Jahreszeit wieder gefüttert oder reingeholt. Zum Schluss Hühnerstall, Eier sammeln – und dann ist Feierabend.
Erklärung: Im Kompoststall steht das Tier auf einer 30 cm dicken Kompostmatratze. Urin und Kot werden durch tägliches Fräsen mit dem Kompost vermischt. Das bringt Sauerstoff ein, der für die Kompostierung nötig ist. Der Prozess produziert Wärme, ist hygienisch und erzeugt keinen typischen Stallgeruch. Stattdessen riecht es nach Waldboden. So entsteht hochwertiger Dünger.
Meine Frau ist vollzeit-berufstätig als Lehrerin. Sie kommt dann nachmittags nach Hause und verbringt noch ein bisschen Zeit mit ihrem Pferd.
Sie unterstützt mich auch ab und an, wenn ich noch mal eine Sache habe.
Zurzeit dient der Hof der Selbstversorgung und der Hobbylandwirtschaft. Wir verdienen damit noch kein Geld. Das liegt zum einen daran, dass mein Vater die Landwirtschaft 2011 aufgegeben hatte. In diesem Zuge wurden alle Flächen verpachtet. Jetzt müssen wir wieder klein starten. A muss ich gucken, was geht, also wegen der Blindheit, aber eben auch, was die Leute annehmen.
Ich möchte nicht an den Markt verkaufen, also an Aldi, Lidl, Edeka und Co. Ich möchte meine Produkte direkt vermarkten, weil es für mich der einzige Weg ist, damit Geld zu verdienen. Wir sind nun einmal ein kleiner Betrieb.
Außerdem: Hinter jedem Produkt steckt Leben, besonders bei tierischen Erzeugnissen. Wenn man das ethisch machen will, passt das nicht zum Preisdruck im Markt.
Mehr gibt’s nächsten Monat
Mehr von Axel, dem Leben auf dem Hof und seiner Leidenschaft zur Landwirtschaft gibt es in der nächsten Ausgabe – oder auf Axels Kanälen. Ihr findet ihn sowohl auf Instagram als auch TikTok unter dem Namen: LeidenschaftfürLandwirtschaft
Magst du dich einmal vorstellen?
Ich bin Axel Duensing. Ich bin 33 Jahre alt und habe ökologische Agrarwissenschaften studiert. Also auf Deutsch: ich bin studierter Bauer.
2022 sind wir hier auf meinen elterlichen Hof zurückgezogen. Also wir: meine Frau und ich.
Wir leben hier zu sechst auf dem Hof: meine Frau und ich, meine Schwester mit ihrem Mann, ihr kleiner Sohn und mein Vater.
Vollzeit auf dem Hof sind mein Vater und ich. Mein Vater ist Rentner. Er läuft herum, unterstützt mich auch und macht seine eigenen Sachen. So gesehen bin ich hier der Vollzeit-Hobby-Landwirt, Hausmann, das Mädchen für alles.
Wie viel siehst du noch?
Ich habe RP, also Retinitis Pigmentosa und sehe jetzt noch irgendwie Null-Komma-Irgendwas Prozent. Seit 2002 bin ich also gesetzlich blind. Ich sehe noch Licht-Schatten-Kontraste, also wenn jetzt eine Tür offensteht und die Sonne scheint, dann sehe ich das.
Als Kind bin ich noch mit dem Fahrrad durch den Ort gerast und habe allen, die nicht früh genug aus dem Weg gingen, Dellen ins Auto gefahren. Ich bin auch noch auf dem Hof Trecker gefahren. Das habe ich aber nur hier auf der Hofstelle gemacht, wo ich wusste, dass die Leute aus dem Weg gehen würden, wenn ich ankomme. Das geht aber schon länger nicht mehr.
Ich kann mich noch gut an Farben und vieles anderes erinnern. Das ist gut und schlecht. Da ich es noch anders kenne, kann ich es vermissen und das ist schlimm, wobei ich nicht der Mensch bin, der Dingen hinterhertrauert. Es ist ja auch schön, dass es mal gewesen ist.
Wir hatten früher eine riesige Kastanie. Sie wurde vor 8 Jahren abgesägt und wenn ich jetzt aus dem Fenster gucke, dann sehe ich den Baum lustigerweise da immer noch stehen.
Gut ist, dass ich eine Vorstellung von geometrischen Formen, Distanzen etc. habe. Das hilft mir im Arbeitsalltag enorm, gerade wenn es eben um das Abschätzen von Flächen geht: Wie groß ist die Grünfläche? Wann ist die von den Tieren leer gefressen? Es hilft auch um Leute mit konkreten Arbeiten anzuweisen.
Wolltest du schon immer Landwirt werden?
Mein Opa väterlicherseits, der früher den Hof hatte, war auch schon blind. Er hatte dieselbe Augenerkrankung. Deswegen ist das gar nicht so etwas Skurriles, also für uns in der Familie.
Mein Vater hat zwar immer gesagt: "Junge, lass die Finger davon. A, verdienst du mit der Landwirtschaft kein Geld, das ist ein schweres Geschäft. Und B, du kannst nicht gucken. Lern was Ordentliches!"
Ich habe dann, als ich meinen Realschulabschluss hatte, überlegt: "Was machst du". Ich hatte keine Ahnung.
Dann habe ich die Berufsfachschule Wirtschaft gemacht, um einfach ein bisschen mehr Zeit zur Orientierung zu haben. Das hat aber auch nichts gebracht. Wobei... Ich habe in der Zeit meine jetzige Frau kennengelernt. Sie meinte damals in ihrem jugendlichen Leichtsinn: "Wieso, wenn es dich doch so interessiert, dann studiere den Kram doch. Wenn du es nicht praktisch machen kannst, dann studiere doch Agrarwissenschaften."
Dafür brauchte ich aber dann ein Abitur und so sind wir gemeinsam nach Marburg gegangen. Sie hat dort Lehramt studiert und ich habe da 2015 mein Abi nachgeholt.
Im Anschluss habe ich mich an drei Unis beworben. Angeschaut habe ich mir Gießen, Göttingen und Kassel. Letztendlich habe ich mich für Kassel entschieden, da Kassel die einzige Universität ist, die den reinen Studiengang "Ökologische Agrarwissenschaften" angeboten hat.
Kassel ist richtig gut für Blinde und Sehbehinderte eingerichtet und sie hatten ein gutes Hilfe-Angebot. Jedoch ist in Kassel selber der Fachbereich der Agrarwissenschaftler in Witzenhausen, also 20/30 Kilometer von Kassel entfernt. Die haben ihren Kram eigentlich immer selbst geklärt und so war das dann auch mit mir.
Der Fachbereich war immer sehr wohlwollend. Die Professoren haben sich Mühe gegeben und mir die Skripte für die Vorlesung zur Verfügung gestellt. Ich konnte immer nachfragen, wenn ich irgendwo Probleme hatte und das hat geklappt.
Wie war es für dich denn in der Stadt - also so als Dorfkind?
Ich bin ja mit 10 Jahren von Zuhause weggekommen. Ich bin nur in der Grundschulzeit integrativ beschult worden und dann bin ich mit nach Hamburg gekommen. Dort war ich auf der Blindenschule am Burgweg. Da habe ich nur meinen Hauptschulabschluss gemacht und dann wollten sie mich nicht mehr.
Danach bin ich nach Hannover gegangen - zum Landesbildungszentrum für Blinde. Dort habe ich meinen Realschulabschluss gemacht und die Berufsfachschule Wirtschaft besucht. Danach kam wie gesagt mein Abitur in Marburg und das Studium in Kassel.
Ein Stadtmensch bin ich aber nie gewesen. Als ich als Dorfkind dann von Zuhause weg musste, war alles fremd und die ersten Erfahrungen im Internat waren auch nicht so toll.
Eigentlich war die Idee, dass ich, wenn ich den Abschluss habe, theoretisch irgendwo im Büro arbeite und vom Büro aus, Landwirte ärgere, so auf dem Amt oder so.
Jetzt ist ja aber alles anders gekommen. Wie sieht ein typischer Tag bei dir aus?
Also, ich bringe morgens meinen Neffen zur Schule und. Wenn er dann unterwegs ist und ich schnell eine Tasse Kaffee getrunken und gefrühstückt habe, dann geht's raus. Dann versorge ich die Tiere, die Diversen, die wir haben. Im Winter werden sie im Stall gefüttert. Dann kümmere ich mich um die Boxen – entweder nachstreuen oder fräsen. Die Pferde und Rinder stehen auf Kompost, der regelmäßig mit der Fräse aufgelockert wird, um Sauerstoff einzubringen. Das verhindert Fäulnis, fördert die Kompostierung und sorgt für einen angenehmen, waldartigen Geruch. Danach erledige ich, was sonst so ansteht – Feuerholz machen, Rasen mähen, Motorsensen. Abends werden die Tiere je nach Jahreszeit wieder gefüttert oder reingeholt. Zum Schluss Hühnerstall, Eier sammeln – und dann ist Feierabend.
Erklärung: Im Kompoststall steht das Tier auf einer 30 cm dicken Kompostmatratze. Urin und Kot werden durch tägliches Fräsen mit dem Kompost vermischt. Das bringt Sauerstoff ein, der für die Kompostierung nötig ist. Der Prozess produziert Wärme, ist hygienisch und erzeugt keinen typischen Stallgeruch. Stattdessen riecht es nach Waldboden. So entsteht hochwertiger Dünger.
Meine Frau ist vollzeit-berufstätig als Lehrerin. Sie kommt dann nachmittags nach Hause und verbringt noch ein bisschen Zeit mit ihrem Pferd.
Sie unterstützt mich auch ab und an, wenn ich noch mal eine Sache habe.
Zurzeit dient der Hof der Selbstversorgung und der Hobbylandwirtschaft. Wir verdienen damit noch kein Geld. Das liegt zum einen daran, dass mein Vater die Landwirtschaft 2011 aufgegeben hatte. In diesem Zuge wurden alle Flächen verpachtet. Jetzt müssen wir wieder klein starten. A muss ich gucken, was geht, also wegen der Blindheit, aber eben auch, was die Leute annehmen.
Ich möchte nicht an den Markt verkaufen, also an Aldi, Lidl, Edeka und Co. Ich möchte meine Produkte direkt vermarkten, weil es für mich der einzige Weg ist, damit Geld zu verdienen. Wir sind nun einmal ein kleiner Betrieb.
Außerdem: Hinter jedem Produkt steckt Leben, besonders bei tierischen Erzeugnissen. Wenn man das ethisch machen will, passt das nicht zum Preisdruck im Markt.
Mehr gibt’s nächsten Monat
Mehr von Axel, dem Leben auf dem Hof und seiner Leidenschaft zur Landwirtschaft gibt es in der nächsten Ausgabe – oder auf Axels Kanälen. Ihr findet ihn sowohl auf Instagram als auch TikTok unter dem Namen: LeidenschaftfürLandwirtschaft