Manchmal hat man das Gefühl, dass viele Leute sich gar nicht mehr so für die Themen an sich interessieren, sondern eher den neusten Shitstorm suchen. So sind die Olympischen Spiele noch gar nicht lang her, da kündigt sich der nächste haltlose Aufreger an. Die meisten werden vom „Skandal“ der Boxerin Imane Khelif gehört und gelesen haben. Der Algerierin wurde unterstellt gar keine Frau zu sein und somit den damaligen Kampf und schlussendlich auch Olympia zu Unrecht gewonnen zu haben. Sie wurde massiv beschimpft und hat daher jetzt Anzeige aufgrund von Cyber-Mobbing gegen bekannte Persönlichkeiten, wie Elon Musk und J. K. Rowling, eingereicht.
Die Aufregung von vielen war groß. Wie könne ein Mann nur gegen eine Frau boxen? Dass Imane Khelif gar kein Mann ist, interessierte dabei die wenigsten. Sie wurde als Frau geboren, ist so aufgewachsen und es steht in ihrem Pass. Sie hat auch jahrelang Kämpfe als Frau bestritten – und dies sehr lange nicht besonders erfolgreich. Aber hey, angeblich hatte sie xy-Chromosomen. Als Beweis wurde die Aussage eines Sportverbandes vorgeschoben, welcher weder Beweise dafür zeigen konnte, noch in der Vergangenheit durch besondere Glaubwürdigkeit gestrahlt hätte (Stichwort: Korruption). Selbst wenn es diesen Befund aber geben würde, würde es kein Totschlagargument sein, denn in Studien zeigte sich, dass auch unter „normalen“ Frauen 6,4 von 100.000 Frauen diese xy-Chromosomen haben. Es bleibt also nur das Argument der Optik. Ab wann bin ich denn dann aber keine Frau mehr? Bzw. wie hat man denn als „echte Frau“ auszusehen? Wer hat das Recht das zu entscheiden?
Egal… diese Debatte machen wir jetzt nicht auf, denn die nächste steht schon in den Startlöchern und dieses Mal geht es um unsere Bubble.
Trans-Debatte bei den Paralympics
Es fühlt sich an wir ein Dejavu. Man hat noch die Argumentationen der Olympia-Debatte im Ohr und plötzlich das. „Trans-Skandal bei Paralympics: Sehender Mann nimmt blinder Frau den Startplatz weg!“ – Nius.de. Die B.Z. nennt sie einen zweifachen Vater. Was ist denn da wieder passiert?
Zwischen Imane Khelif und der nun unfreiwillig im Mittelpunkt stehenden Trans-Sportlerin gibt es einen entscheidenden Unterschied. Khelif ist als Frau geboren und aufgewachsen, anders als Valentina Petrillo, die nach einer Transition jetzt als Frau bei den Paralympischen Spielen antritt.
Petrillo hat sich als Drittplatzierte für die Kategorie T12 (Läuferinnen mit Sehbehinderung) im 200-Meter-Sprint beweisen können. Warum sie nun angegriffen wird ist einfach: Die Plätze sind begrenzt und so hat sie durch ihren Sieg einer anderen Dame die Aussicht auf den Titel vor der Nase weggeschnappt.
Statement in der Bild
Das Nachsehen hatte in der Vergangenheit auch die deutsche Leichtathletin Katrin Müller-Rottgardt. Sie sagte gegenüber der Bild-Zeitung, dass jede Person im Alltag so leben solle, wie sie sich wohlfühle, meinte aber auch: „Im Leistungssport finde ich es aber schwierig. Sie hat lange als Mann gelebt und trainiert, da steht im Raum, dass da körperliche Voraussetzungen anders sind als bei jemandem, der als Frau zur Welt kam.“ Vorteile zugunsten Petrillos wären ihrer Meinung nach deshalb möglich.
Der angebliche Leistungsunterschied
In den Artikeln die gerade schon wieder die Runde machen klingt es so als wären die weiteren Läuferinnen Petrillo haushoch unterlegen. Das stimmt so jedoch gar nicht.
Bei der Para-Leichtathletik-WM 2023 erreichten beide Läuferinnen das Finale. Petrillo holte sich in Paris über 200 Meter die Bronze-Medaille. Aber nur, weil Müller-Rottgardt aufgrund eines Fehlers disqualifiziert wurde, sonst wäre diese Dritte geworden.
Petrillo, die im Gegensatz zur Deutschen ohne Guide läuft, erreichte dazu noch über 400 Meter den dritten Rang. Wir sind hier also weit entfernt von der Tatsache, dass sie alle in Grund und Boden stampft.
Valentina Petrillo beendete ihre Transition zur Frau 2019 und tritt seit 2020 als Sportlerin an. Zuvor war sie bei den Männern aktiv. Uninformierte Kritiker könnten nun schimpfen, dass sie sich dadurch sicher einen Aufstieg und eine erfolgreichere Karriere versprach. Tatsächlich war sie bei den Männern aber deutlich erfolgreicher. Von 2015 bis 2018 gewann sie elf nationale Titel in der männlichen Kategorie T12.
Es geht ihr nach eigener Aussage auch gar nicht um den Erfolg. Schon vor vier Jahren sagte sie gegenüber BBC, sie sei „lieber eine langsame glückliche Frau als ein schneller unglücklicher Mann“.
Fazit
Obwohl ich Leistungssportler, die sogar bei Olympia waren, in meiner Familie habe, ist das Talent und die Begeisterung nie auf mich übergesprungen. Vielleicht bin ich nicht die größte Expertin für Sport, kenne mich aber gut mit Menschen aus. Ich verstehe, dass man Konkurrenz immer kritisch beäugt. Zur Wahrheit im Leistungssport gehört, dass es nicht nur um Spaß sondern auch um Geld geht. Die eigene Zeit ist entscheidend und so möchte man in der Blüte des eigenen Sportlerlebens natürlich möglichst weit kommen. Wir Menschen haben alle unterschiedliche Grundvoraussetzungen. Meine Stiefmutti ist beispielsweise über zwei Meter groß. Sie war ziemlich erfolgreich im Volleyball und Basketball. Daneben stehe ich mit meinen kleinen Dackelbeinchen. Mir war früh bewusst, dass egal wie sehr ich mich anstrenge, Menschen wie sie, im Weitsprung, Laufen, Hochsprung und so weiter, immer einen Vorteil haben würden. Entscheidend war oft gar nicht unbedingt das Geschlecht, sondern Größe und Muskelmasse.
Das zeigt sich ja auch im Skandal-Wettkampf von Olympia. Der Satz den ich immer wieder hörte war, dass sie ihr auch weit über den Kopf ragte. Ja… was soll man dagegen machen?!
Möglicherweise gibt es keine perfekten Lösungen. Man könnte mehr Kategorien schaffen, welche nach mehr Merkmalen differenzieren. Wahrscheinlich wird es so aber auch unübersichtlicher.
Egal wie man es dreht und wendet, es sollten klare Regeln gefunden und formuliert werden. Diese werden nie allen gefallen, aber im Zweifel kann man so immer auf sie verweisen. So könnte man skandalösen Artikeln den Wind aus den Segeln nehmen. Vermeiden lassen werden sie sich wahrscheinlich aber nie.
Hauptsache dagegen – Skandal bei den Paralympics
- Sophie Heinicke
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