Louis-Braille-Festival 2024

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Louis-Braille-Festival 2024

Beitrag von Sophie Heinicke » 03.06.2024, 14:05

Oh man, war das ein Wochenende… Alle die dabei waren, werden uns hier nur zustimmen können. Ich bin ehrlich, wahrscheinlich habe ich und sicher auch die anderen nur einen Bruchteil der Angebote erleben dürfen. Im Grunde hätte man das Festival in dieser Größenordnung auch eine Woche lang erkunden können. Falls ihr nicht dabei sein konntet, hoffen wir, dass wir uns das nächste Mal treffen werden. Um euch nachträglich aber einmal mitzunehmen, erzählen wir euch, was Stuttgart alles so zu bieten hatte.

Jetzt geht es los: Freitag
Nach Berlin, Marburg, Hannover und Leipzig zog es das Festival diesmal nach Stuttgart. Da das Festival traditionell ein verbindendes Projekt ist beteiligten sich zahlreiche Leute aus dem DBSV dem dortigen Verband, der Nikolauspflege und dessen Unterstützerinnen und Unterstützern. Das Festival startete um 14 Uhr, wobei der Eintritt schon ab 11 Uhr möglich war. So konnten sich alle schon einmal in Ruhe umschauen. Die Eröffnung fand dann um 15 Uhr statt und das mit prominenten Gästen und Musik vom Ludwigsburger Singer/Songwriter Philipp Poisel.

Das Festival stand unter einem guten Stern, denn trotz des „interessanten“ Bahnhofes schafften es alle zu uns und brachten noch gutes Wetter mit. Das war auch wichtig, denn es gab nicht nur in den Hallen viele Stände und Workshops, sondern auch Outdoor-Aktivitäten. Man konnte Schießen, Tandem- sowie Motorradfahren, Skaten, Fußballspielen, aber auch Malen, die Liebsten durch einen Langstockparkour scheuchen oder ein Dunkelzelt erkunden.

Am ersten Abend gab es dann eine Comedy-Show unter anderem mit dem selbst seheingeschränkten Comedian Timur Turga (aber auch mit Jochen Prang und Khalil Khalil). Wir alle durften auch etwas in den schwäbischen Dialekt reinschnuppern. Beim anschließenden „Mitsingabend“ sind dann alle Bedenken über Bord geschmissen worden und so sang ein ganzer Saal, Jung und Alt, Klassiker aus verschiedenen Genres. Danach ging es für viele noch auf unsere LBF-Party mit eigenem DJ.

Wer den Tag etwas ruhiger verbringen wollte, konnte aber auch zur Lesung von Rufus Beck gehen und sich später entspannt einen Hörfilm anschauen. So kam jeder auf seine Kosten.

Heute gibt es viel zu tun: Samstag
Wer sich Freitag schon einen Überblick verschafft hatte wusste, heute gibt es viel zu tun. Am Samstag öffneten sich dann aber auch noch die Tore einer weiteren Halle. Beim Markt der Begegnung konnte man mit den verschiedenen Vereinen und Organisationen einmal persönlich in Kontakt treten. Es gab viele kleinere Gewinnspiele und eine sehr ausgelassene Stimmung. Es gab allgemein viel zum Ausprobieren und Mitmachen.
In der anderen Halle gab es eine Gaming-Station, wo die jungen Informatiker der Nikolauspflege zu den verschiedensten Games aufgeklärt haben. Es gab einen Raum wo Robbie vom Jugendprojekt erklärte, wie er sich Dinge, wie einen eigenen Lichtsensor oder Würfel in der Dose selbst gebastelt hat. Es gab eine Bastelwerkstatt, einen Raum zum Showdown spielen sowie eine Neuheit in Deutschland: einen barrierefreien Escape-Room. Super cool, alles in Eigenarbeit geplant!

Am Abend gab es wieder eine Show. Die LBF-Samstagabend-Show begeisterte mit Musik, Kabarett und Ratespaß. Gerade die Kabaretteinlage von Robbie Sandberg als Couch, der blinde und sehbehinderte Leute auf die sehende Gesellschaft vorbereitet, hat mir fast Bauchschmerzen vor Lachen beschert. Ein paar Einblicke erhaltet ihr übrigens auf unserem Instagram-Account des DBSV Jugendclub.

Zuletzt gab es wieder eine Party, wobei man auch wunderbar draußen vor der Outdoor-Bühne sitzen konnte. Im Umkreis des Festivalgeländes gab es auch unheimlich viele Möglichkeiten Restaurants zu besuchen. Ich und mein Partner entschieden uns aber für die lockere Variante und holten uns nur ein belegtes Baguette aus dem Supermarkt nebenan.

Tschüss Stuttgart: Sonntag
Am Sonntag war es dann recht ruhig, da die meisten Stände bereits Samstagabend abgebaut wurden. Der Tag begann mit einem ökumenischen Gottesdienst. Anschließend trat das Musik-Satire-Duo Plückhahn und Vogel auf. Zuletzt gab es noch eine Abschiedsshow, wo sich bei allen Mitwirkenden herzlich bedankt wurde.

Abgesehen vom Festivalgeschehen gab es aber auch viel zu erleben. Zahlreiche Museen boten Führungen an. Es gab eine große Anzahl an möglichen Ausflügen und Erlebnissen.

Ihr merkt, für ein Wochenende war das ziemlich viel. Daher nehmt es mir nicht übel, wenn ich etwas für euch Wichtiges vergessen habe. Es gab nämlich viel! Selbstverteidigungsworkshops, Führhund-Wellness usw.

Aber was sagen denn andere Besucherinnen und Besucher zu dem Festival?

Mein schönstes Festival-Erlebnis war…
„Mein schönstes Erlebnis auf dem Louis Braille Festival war Square Dance, das Mitsingen und die Samstagabendshow.“ Diese Antwort und einige weitere kamen auf unser Gewinnspiel, wo wir nach dem schönsten Erlebnis in Stuttgart fragten. Eine andere Teilnehmerin schrieb: „Das Schönste am Festival war, dass ich mich sehr wohlgefühlt habe. Ich habe eigentlich etwas Angst vor Treppen, da diese meistens nie markiert sind. Alle Stufen waren markiert und alles war sehr übersichtlich. Vielen Dank dafür!“
Das haben viele gelobt. Die Orientierung auf dem Festivalgelände war gut meisterbar. Alle Stufen in den Gebäuden waren markiert und die Wege durch kontrastreiche und gut fühlbare Teppiche gekennzeichnet. Weiterhin standen aber auch eine Menge Helferinnen und Helfer in roten Shirts zur Hilfe, die nicht nur auf Nachfrage reagierten, sondern auch Eigeninitiative ergriffen. Das Dankeschön geht also auch an alle Unterstützenden mit ihren wachsamen Augen.

Ein Highlight dürfen wir aber natürlich nicht vergessen. Am Samstag spielte das Rockytrio. Als sie auf die Bühne kamen war bereits bei der Probe der Platz prall gefüllt. Sie wurden völlig zurecht laut bejubelt und anscheinend hatten auch sie Spaß an dem ganzen Treiben dort. „Wir hatten eine super Zeit und haben uns mega gefreut für euch Musik machen zu dürfen. Außerdem durften wir ganz viele tolle Leute kennenlernen. Wir wollten nur mal kurz sagen, wie schön es bei euch war und wie sensationell es organisiert war.“
Die Truppe ist so klasse! Sympathisch und so unheimlich talentiert. Es war auf jeden Fall toll sie einmal live zu erleben.

Mein Wochenende in Stuttgart
Um euch nun noch einmal einen kleinen Einblick zu geben, wie euer Wochenende hätte aussehen können, teilen wir noch einen Erfahrungsbericht einer Teilnehmerin mit euch.

Ich bin gemeinsam mit meiner besten Freundin, die auch blind ist, und zwei sehenden Begleiterinnen, bereits am Donnerstag nach Stuttgart gereist. Für uns alle war es das erste Festival und wir waren sehr gespannt, was uns erwartet. Nach dem Check-In im Hotel haben wir noch ein bisschen Stuttgart erkundet und waren dann zusammen essen.

Am Freitag ging es direkt nach dem Frühstück auf das Festivalgelände – weil wir im Maritim-Hotel untergebracht waren, war der Weg nicht weit. Als Erstes haben wir uns dort unsere Festivalbändchen abgeholt, das ging viel schneller als gedacht. Anschließend sind wir gemeinsam über das Gelände geschlendert, um uns zu orientieren. Wir haben uns sehr gefreut, dass wir schon erste Aktivitäten machen durften, obwohl es noch nicht 14:00 Uhr war. Zuerst haben wir uns im Sitzfußball versucht und danach haben wir uns alle unseren eigenen Festivalstein gestaltet.

Um 14:00 Uhr ging es für uns dann direkt zum ersten Workshop „Listening Distance“. Was uns da erwartet, wussten wir selbst nicht, die Beschreibung klang aber spannend. Der Workshop bestand aus einer 30-minütigen Audio Performance, in der es um einen Herrn ging, der die Echoortung beherrscht. Sehr beeindruckend waren die 3D-Soundeffekte, die verwendet wurden. Man hatte teilweise echt das Gefühl, als wäre man mit dem Sprecher in einem Raum oder als würde der Zug in einer Bahnhofsszene direkt vor unseren Füßen langfahren.

Nach dem Workshop sind wir dann noch für ein Weilchen zur Festivaleröffnung gegangen, bevor wir uns auf den Weg zur Lesung mit Rufus Beck gemacht haben. Meine beste Freundin und ich lieben seine Harry-Potter-Lesungen und waren deshalb sehr gespannt, ihn mal live zu erleben.
Und es war wirklich ein tolles Erlebnis: Das Opening der Lesung durch Rufus Beck war mega sympathisch und es war echt cool, ihn mal live zu hören. Leider fanden wir das Buch, das er vorgelesen hat, nicht ganz so spannend.
Nach der Lesung und einem leckeren Pizzaessen war unser erster Festivaltag leider schon fast vorbei.

Für den Samstag hatten wir uns vorgenommen, möglichst viele der offenen Angebote auszuprobieren. Und um es vorwegzunehmen: Das haben wir auch geschafft.
Angefangen haben wir mit dem Markt der Begegnungen, der war ja auch direkt in unserem Hotel. Dort haben wir bei allen Gewinnspielen und Mitmach-Aktionen mitgemacht und auch den ein oder anderen kleineren (oder auch größeren) Gewinn abgesahnt. Nach dem Markt der Begegnungen ging es in die Führhundlounge, um Festivalführhund Harry einmal die Pfote zu schütteln und leckere Souvenirs für unsere daheimgebliebenen Hunde abzustauben.
Nach den Hunden sind wir direkt draußen geblieben und meine beste Freundin hat mich zu einer Runde Blindenfußball überredet. Obwohl ich erst nicht so viel Lust dazu hatte, hatte ich doch dann jede Menge Spaß. Nach einem kurzen Abstecher in die Gaming Zone, ging es für uns wieder sportlich weiter, nämlich mit Showdown. Ich bin jedes Mal überrascht, wie laut dieser Plastikball ist und was das Spiel für einen Krach macht.

Nach unserem Sportprogramm mussten wir uns mal etwas ausruhen und haben uns in der Selbermach-Werkstatt kreativ ausgelebt. Die von uns gestalteten Schilder haben sogar den Heimweg überlebt und erinnern uns jetzt immer an die Zeit in Stuttgart.
Nach der Selbermach-Werkstatt ging es für uns ins Foyer, wo wir unsere eigenen Grillanzünder hergestellt und uns vor dem Greenscreen fotografiert haben.
Nach diesen vielen Aktivitäten hatten wir noch einen Workshop: Taktile Spiele. Wir waren sehr positiv überrascht von den Spielen, die uns dort gezeigt wurden: Alle waren echte Handarbeit und mit Liebe zum Detail hergestellt. Wir waren kurz davor Spiele zu kaufen, aber wir wussten einfach nicht, wie wir diese mit nach Hause bekommen hätten (Beim nächsten Mal müssen wir wohl einen extra Koffer mitnehmen). Den Abend ließen wir dann mit gutem Essen und einem ausgedehnten Spieleabend ausklingen.

Am Sonntag stand für uns nicht mehr viel auf dem Programm. Wir setzten uns einfach auf ein paar Bänke und ließen das Festival bei einer Cola, netten Gesprächen und der Festivalverabschiedung ausklingen.

Mir hat das Festival sehr gut gefallen. Ich fand es toll, wie viel Wert auf Barrierefreiheit gelegt wurde und wie viele sehende Helfende zur Verfügung standen. Auch online wurde vorher sehr gut informiert; so konnten wir gut unser Programm zusammenstellen. Leider gab es bei uns erst Probleme mit der Anmeldung für das Festival, sodass wir uns erst recht spät zu Workshops anmelden konnten. Immerhin: So hatten wir mehr Zeit für die vielen offenen Angebote. Gerne hätte ich noch mehr ausprobiert: Skulpturen bei JuKus basteln zum Beispiel und wer weiß, vielleicht hätte ich mich auch ans Blind-Skating rangetraut. Und auch für die Abendshows war zu wenig Zeit.

Schade fand ich es, dass am Sonntag sehr wenig Programm geboten wurde. Die Zeit am Sonntag hätte ich gerne noch für die ein oder andere Mitmachaktion genutzt. Was auch etwas blöd für die Planung war, ist, dass ein paar Wochen vor dem Festival gefühlt täglich neue Programmpunkte dazukamen, sodass wir unsere Pläne immer mal anpassen mussten. Auch wurden häufig neue Workshops freigeschaltet, von denen man nur durch Zufall erfahren hat. Ich hätte mich über eine Info „Es werden bald noch weitere Workshops zu folgenden Themen freigeschaltet“ sehr gefreut.

Mein Fazit: Es war ein gelungenes Festival mit vielen Highlights, auf dem ich endlich mal ein paar Online-Bekanntschaften persönlich kennenlernen durfte. Die Stimmung war gut, auch wenn es ab und zu etwas Stress in unserer Gruppe gab. Beim nächsten Festival komme ich gerne wieder und bin schon gespannt, wohin dann die Reise geht.

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Übrigens, wir waren 4300 Teilnehmende. Ein neuer Rekord! Ich bin gespannt, wo und wann wir uns das nächste Mal wiedertreffen. Möglicherweise knacken wir dann ja noch einmal den Rekord.

(Artikel aus der Juni-Brücke von Sophie Heinicke)

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